Noch hat sich der November gar nicht so sehr von seiner dunklen, trüben, melancholischen Seite gezeigt – bisher hatten wir in den meisten Landesteilen deutlich mehr Sonnenstunden als normal. Und dennoch: Die Kontaktbeschränkungen lasten erheblich auf vielen Alleinlebenden, und wie es aussieht, werden diese noch einige Monate anhalten.
Der Lockdown trifft Alleinlebende am Härtesten
In einer gut funktionierenden Partnerschaft oder einer liebevollen Familie sind positive Kontakte jeden Tag vorhanden. Lebe ich aber alleine, fehlen außerhalb des Arbeitslebens ganz viele Sozialkontakte. Die aktuellen Kontaktbeschränkungen sind damit vor allem für Singles ein ernsthaftes Problem. Ganz abgesehen davon, dass jedwede Partnersuche unter Lockdown-Bedingungen nahezu unmöglich ist, suchen viele Singles Kontakte und Zerstreuung in Kneipen, Bars, Restaurants oder bei diversen Kulturevents. Aber hier: alles geschlossen. WhatsApp und Telefon ersetzen nur sehr bedingt persönliche Kontakte, und da der Mensch nun mal ein geselliges Wesen ist, tut sich für viele eine große Lücke auf. In einem Artikel auf der Nachrichtenseite ntv.de mit dem Titel Wie Singles durch den Winter kommen schildert die Autorin, dass Einsamkeit nicht nur ein Thema für betagte Menschen ist, sondern auch die Jungen mehr und mehr betrifft. Obwohl diese junge Generation so viele Kommunikationsmittel zur Verfügung hat und so "vernetzt" ist wie wohl keine vorher. Im Artikel wird Diana Kinnert zitiert, eine Politikerin und Autorin, deren Buch "Die neue Einsamkeit" im März erscheint: "Dennoch leidet diese Generation unter Einsamkeit", schreibt Kinnert und fährt fort: "Ich glaube, dass das mit einer Kultur des neuen Kapitalismus zu tun hat, in der Eigenschaften wie Agilität und Flexibilität belohnt werden. Qualitäten wie Verbindlichkeit geraten ins Hintertreffen. Intimität entsteht aber dort, wo wir uns Zeit nehmen, uns emotional zu öffnen. Viele junge Menschen beginnen jedoch, Zwischenmenschliches zu konsumieren. Damit überträgt sich ihr Arbeitsleben auf ihr Privatleben. Wo Intimität, Verbindlichkeit und Verantwortung fehlen, grassiert Einsamkeit."Zusatzproblem Alkohol
Die Isolation ist auch eine spezielle Herausforderung für Menschen, die sowieso schon Probleme mit dem Alkohol haben. Die Zeitung "Rheinpfalz" berichtet in ihrer heutigen Ausgabe unter der Überschrift Alkoholkrank in der Pandemie: Verstärkt Hilferufe, dass die Anzahl der Hilferufe bei Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen für Alkoholiker und ihre Angehörige in diesen Wochen steigen. „Viele Leute spüren eine Ausweglosigkeit. Sie verlieren ihren Job oder sind in Kurzarbeit“, berichtet ein Mitglied der Anonymen Alkoholiker in der Pfalz in diesem Artikel. „Dann hockt man zu Hause aufeinander, es gibt Aggressionen – da ist Alkohol ein Mittel, um sich weg zu beamen.“ Hinzu kommt, dass viele Beratungsstellen und Treffpunkte aufgrund von Corona geschlossen sind. Einige Institutionen versuchen, dies durch Online-Angebote wieder aufzufangen, aber nicht alle Betroffenen haben die technischen Möglichkeiten und die Bereitschaft, diese zu nutzen.Vermehrt Onlineangebote bei den Freizeitclubs
Die Freizeitclubs sind seit Anfang November wieder flächendeckend von den Kontakteinschränkungen betroffen und können keinerlei Treffen und Veranstaltungen "im richtigen Leben" anbieten. Darum sind momentan die Regionalleiter mit Hochdruck dabei, ein möglichst vielfältiges Online-Ersatzprogramm über die Kommunikationsplattform ZOOM zu bieten – ob Vorleseabende, gemeinsames Kochen, Meditationen, gemeinsames Anschauen von Filmen mit Diskussion oder was auch immer. Kreativität ist die wichtigste Eigenschaft in diesen Tagen, denn wir alle müssen davon ausgehen, dass die Kontaktbeschränkungen noch einige Monate andauern werden. Kein Grund also, nicht auch jetzt schon mal in die Freizeitclubs mit einem Probemonat "reinzuschnuppern". Es ist allemal besser, sich mit anderen netten Menschen am Bildschirm auszutauschen, als alleine in der eigenen Bude zu versauern ;-). Zum selben Thema gibt es hier im Blog einen Bericht über ein Interview mit Monika Wehn, Freizeitclub-Leiterin der Clubs Karlsruhe und Landau.Fotos © Pexels
Kommentare
Diethard Wehn
22.11.2020, 10:40"Vernetzt wie nie und doch einsam" - ein Widerspruch? Offenbar nicht. Denn emotionale Verbindungen und Intimität brauchen Zeit, um wachsen zu können. Das geht im Einzelfall vielleicht auch über Telefon oder WhatsApp. Gestern hörte ich einen Radiobeitrag, eine junge Frau hält in Corona-Zeiten regelmäßigen Telefonkontakt zu einer 91jährigen Dame, die wenig Verwandschaft hat und in einem Altenheim lebt. Getroffen haben sie sich (bisher) noch nicht, aber Nähe entsteht von Gespräch zu Gespräch.
Aber natürlich entstehen emotionale Bindungen am besten durch persönliche Kontakte, am intensivsten durch gemeinsames Erleben. Darum sind die Freizeitclubs so wertvoll: sie bieten genau dieses gemeinsame Erleben mit anderen Menschen.
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